Protest gegen Abschiebepläne nach Syrien anlässlich der Innenministerkonferenz. Foto: Verband der deutsch-syrischen Hilfsvereine

Kommt der Bundes-Abschiebestopp für Syrien?

Im Koalitionsvertrag haben sich SPD, Grüne und FDP darauf geeinigt, dass sie einen „temporären nationalen Abschiebestopp“ einführen wollen. Das ist ein richtiger Schritt. Damit das Vorhaben umgesetzt wird und es zumindest für Syrien und Afghanistan schnell eingesetzt wird, braucht es jetzt Druck von unten.

Protest gegen Abschiebepläne nach Syrien anlässlich der Innenministerkonferenz. Foto: Verband der deutsch-syrischen Hilfsvereine

SPD, Grüne und FDP haben sich im Koalitionsvertrag zum Thema Asyl nicht all zu viel Lobenswertes einfallen lassen. Ein Vorhaben ist aber definitiv zu begrüßen, auch wenn es vage formuliert ist:  „Wir streben an, dass die zuständige oberste Bundesbehörde für einzelne Herkunftsländer einen temporären nationalen Abschiebestopp erlassen kann“, heißt es auf Seite 140.

Warum ist das gut und wichtig?

Bislang braucht es den Konsens der Innenministerkonferenz, dass ein Abschiebungsstopp für ein bestimmtes Herkunftsland beschlossen wird. Ob ein Land generell zu unsicher ist, sodass dorthin niemand zurückgeführt werden kann, entscheiden also ausgerechnet die Innenminister*innen der Länder. Diese orientieren ihre Politik in aller Regel kaum an der menschenrechtlichen Situation im Ausland. Oft geht es ihnen allen um die Wähler*innenstimmung in ihren Bundesländern.

So haben die Landesinnenminister der Union bei der Innenministerkonferenz im Dezember 2020 den Abschiebungsstopp für Syrien beendet. Und das, obwohl der Lagebericht des Auswärtigen Amtes zu Syrien wie jedes Jahr wieder bestätigt hatte, dass Syrien nicht sicher ist. Zum Beispiel aufgrund willkürlicher Verhaftungen, systematischer Folter und andauernder Kriegshandlungen.

Wie hoch die Gefahr für Syrien-Rückkehrer*innen ist, Opfer schwerster Folter zu werden, haben vor Kurzem erst Berichte von Amnesty International und Human Rights Watch unterstrichen. 

Warum der Bund entscheiden sollte

Statt der Innenminister*innen der Länder sollte daher die Bundesregierung darüber entscheiden, ob die Lage in einem Herkunftsland so unsicher ist, dass niemand dorthin abgeschoben werden kann. Die Bundesbehörden sind zwar auch nicht davor gefeit, die Situation in Herkunftsländern schönzureden. Aber immerhin wäre dann die Gefahr gebannt, dass eine Minderheit der Landesinnenminister aus schlichtem Populismus einen Abschiebungsstopp blockiert.

Und für Syrien wie auch für Afghanistan braucht es einen Abschiebungsstopp. Weder das Assad-Regime noch die Taliban sind Gesprächspartner für Abschiebungen. An beide Regime darf schlicht niemand ausgeliefert werden. Das gilt auch für Straftäter*innen oder so genannten Gefährder*innen. Den designierten Ministerinnen für das Außen- und das Innenministerium sollte das klar sein – hoffentlich.

Warum es jetzt Druck braucht

Damit die Willensbekundung für einen Bundesabschiebungsstopp in die Tat umgesetzt wird, braucht es Druck aus der Zivilgesellschaft. Wir werden etwa aufpassen müssen, damit die Frist für den „temporären“ Abschiebungsstopp am Ende nicht nur sechs Monate oder weniger beträgt.

Und Druck wird es auch brauchen, damit die neue Bundesregierung dieses Instrument möglichst schnell einsetzt – zumindest für Syrien und Afghanistan. Am besten aber auch für andere Staaten, in die aus menschenrechtlicher Sicht niemand abgeschoben werden kann. Eile ist geboten. Manchen Landesinnenministerien ist zuzutrauen, dass sie zuvor noch möglichst viele Menschen loswerden wollen.