
In Syrien findet derzeit eine neue Massenflucht statt: Alleine in den letzten drei Tagen sind über 60.000 Menschen durch russische und syrische Angriffe neu vertrieben worden. Viele harren vor der geschlossene türkischen Grenze aus – eine Rückkehr in von Assad kontrollierte Gebiete ist für die Fliehenden ausgeschlossen. Während die humanitäre Krise vor Ort eskaliert, werden in Deutschland Abschiebungen nach Syrien vorbereitet.
Seit Beginn des Jahres sind bereits über 167.000 Menschen verzweifelt vor der anhaltenden Militäroffensive des Assad-Regimes und Russlands geflohen. Die Dunkelziffer ist deutlich höher – Hilfsorganisation können nicht mehr alle Fliehenden erfassen. Die Zahl dürfte in den kommenden Wochen noch deutlich steigen, sollte die Militär-Offensive andauern: Das International Rescue Commitee erwartet, dass insgesamt 650.000 weitere Menschen zur Flucht gezwungen sein könnten.
Die Menschen fliehen Richtung Norden und harren derzeit im Winter unter schwierigsten Bedingungen an der türkischen Grenze aus, die hermetisch abgeriegelt ist. Immer wieder erreichen uns Berichte von Schutzsuchenden, die beim Versuch in die Türkei zu gelangen vom Militär verletzt oder getötet werden.
Erst im Dezember hatten die Innenminister von Bund und Ländern im Rahmen der Innenministerkonferenz (IMK) die Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien in Frage gestellt. Die IMK einigte sich zwar vorerst auf weitere sechs Monate Laufzeit. Allerdings forderten die Innenminister die Bundesregierung auf, Voraussetzungen für Rückführungen von Gefährdern, schweren Straftätern und Heimatbesuchern in die Arabische Republik Syrien oder in Drittstaaten möglich zu machen – was die Betroffenen der Gefahr massiver Menschenrechtsverletzungen aussetzen würde.
Rückkehr zu Assad ausgeschlossen
Dass Syrien unter Diktator Assad keineswegs sicher ist, belegen aktuelle Zahlen: Allein in der Region Idlib wurden im vergangenen Jahr über eine Million Menschen zur Flucht gezwungen. Zum Vergleich: Das UNHCR geht für das Jahr 2019 von lediglich rund 100.000 zurückgekehrten Geflüchteten aus.
Dass die Menschen nicht in die von Assad kontrollierten Gebiete zurückkehren können, zeigen auch die aktuellen Fluchtbewegungen in Idlib. Zwar hat das Assad-Regime nach eigenen Angaben Fluchtkorridore für die Zivilist*innen eingerichtet, diese werden aber kaum genutzt.
#SyriaNotSafe
Zahlreiche Berichte zeigen, dass Menschen aus ehemals oppositionell gehaltenen Territorien unter der Herrschaft Assads massiv von willkürlicher Inhaftierung, Folter und Zwangsrekrutierung betroffen sind und dass kollektive wie individuelle „Versöhnungsabkommen“ mit dem Regime keinen Schutz vor willkürlichen und gezielten Repressionen bieten.
Die Fluchtbewegungen in Idlib sind nicht nur die Konsequenz der Angriffe auf zivile Ziele, sondern auch der brutalen Repressionen, die in Syrien allen Menschen drohen, die das Assad-Regime als potentielle Feinde identifiziert. Wer vor Bombardierungen flieht und von Folter bedroht ist, wird sich nicht dauerhaft von geschlossenen Grenzen aufhalten oder Abschiebediskussionen abschrecken lassen.